Vox feminae

“Vox feminae”

Musik aus Nonnenklöstern des Mittelalters

 

Die “Frau” spielt in der Musik des Mittelalters eine wichtige Rolle, nicht nur als die “angebetete Dame” der Trobadors, Trouvères und Minnesänger, sondern vor allem als begeistertes und sachverständiges Publikum an den Höfen des Hochmittelalters. So traten etwa Eleonore von Aquitanien

(ca. 1122-1204), Mutter von König Richard Löwenherz und Beatrix von Burgund (+1184), Gemahlin Kaiser Friedrich Barbarossas als die bekanntesten Mäzeninnen der Dichtermusiker ihrer Zeit in Erscheinung.

Auch in zahlreichen Nonnenklöstern des 12.-14. Jahrhunderts gab es eine reiche musikalische Tradition. Das berühmte “mulier taceat in ecclesia” (die Frau soll in der Kirche schweigen), des Heiligen Paulus galt selbstverständlich nicht für die liturgischen Feiern im Nonnenkloster, das gregorianische Repertoire wurde auch hier gepflegt, und so erklingen in unserem Programm eine Reihe von einstimmigen gregorianischen Gesängen.

Fehlen darf natürlich nicht eine Auswahl von Liedern aus der Feder der berühmten Klostergründerin und Mystikerin Hildegard von Bingen (1098-1179), geistliche einstimmige Gesänge an Gott Vater, den Heiligen Geist, die Heilige Maria und andere Heilige, die in ihrem Formenreichtum und ihrer Virtuosität einzigartig in der mittelalterlichen Musik sind. “Hildegard genügte der begrenzte Tonumfang der gregorianischen Choräle nicht mehr, um ihrer jubelnden Gottesliebe Ausdruck zu verleihen. So komponierte sie selbst die Melodien für den Psalmengesang ihrer Gemeinschaft, dramatisch bewegte, jauchzende Tonfolgen, die von großer musikalischer Begabung zeugen.”

Von Petrus Abaelardus (1079-1142), dem bekannten Zeitgenossen Hildegards, stammt ein Hymnenzyklus für das ganze Kirchenjahr, den er für das Kloster seiner ehemaligen Geliebten und Ehefrau Heloise gedichtet und komponiert hat.

Ein umfangreiches Repertoire geistlicher ein- und mehrstimmiger Musik findet sich in dem berühmtem “Codex Las Huelgas” (um 1300) aus dem spanischen Zisterzienserinnenkloster “Las Huelgas de Burgos”. Das Kloster, 1187 von dem kastilischen König Alfonso VIII. und seiner Frau Eleanor von England gestiftet und Begräbnisstätte der kastilischen Könige und Königinnen,  war eine wichtige Station auf dem “Camino de Santiago”, dem Wallfahrtsweg nach Santiago de Compostela. Durch den Kontakt mit Pilgern aus Frankreich hatten die musikbegeisterten Nonnen beste Informationen über die damals hochaktuelle mehrstimmige Musik, wie sie vor allem in Paris gepflegt wurde.

Schmerz und Trauer der Gottesmutter Maria unter dem Kreuz ihres Sohnes finden ihren Ausdruck in zahlreichen mittelalterlichen „Marienklagen“ (“Planctus Mariae“). Diese Marienklagen erklangen meist - oft eingebettet in eines der großen Passionsspiele - in der Karwoche. Der “Planctus Mariae et aliorum”, stammt aus dem Benediktinerinnenkloster St. Maria in Valle bei Cividale (14. Jh.) und kam dort wohl auch szenisch zur Aufführung, was die zahlreichen “Regieanweisungen” in der Handschrift bezeugen.

Heinz Schwamm

 “Beim Hören eines Liedes pflegt der Mensch manchmal tief zu atmen und zu seufzen. Das gemahnt den Propheten daran, daß die Seele der himmlischen Harmonie entstammt. Im Gedenken daran wird er sich bewußt, daß die Seele selbst etwas von dieser Musik in sich hat und fordert sie im Psalm auf:

Lobet den Herrn mit Citharaspiel und psallieret Ihm mit der Harfe.”

(aus einem Brief von 1178 von Hildegard von Bingen an die Mainzer Prälaten)